SozDia: Hilfseinsatz Hochwasser – Jugendliche aus Berlin und Jungen Gemeinden des Kirchenkreises unterstützen vor Ort

von Ev. Kirchenkreis Lichtenberg-Oberspree

SozDia: Hilfseinsatz Hochwasser – Jugendliche aus Berlin und Jungen Gemeinden des Kirchenkreises unterstützen vor Ort. Foto: SozDia Stiftung Berlin

SozDia: Hilfseinsatz Hochwasser – Jugendliche aus Berlin und Jungen Gemeinden des Kirchenkreises unterstützen vor Ort

Die von der Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz Betroffenen benötigen Hilfe – jemanden, der mit anpackt, aber auch jemanden, der zuhört, Anteil nimmt, da ist. Das galt umso mehr direkt nach der Flut. Elf junge Menschen im Alter von 15 bis 21 Jahren überlegten nicht lange und machten sich auf den Weg ins Hochwassergebiet um zu helfen. Sie folgten einem Aufruf der SozDia Stiftung Berlin und reisten gemeinsam mit einigen SozDia-Mitarbeitenden nur wenige Tage später in den von der Flut stark in Mitleidenschaft gezogenen nordrhein-westfälischen Rhein-Sieg-Kreis. Der Aufruf zu Solidarität wurde auch vom Kirchenkreis Lichtenberg-Oberspree und zahlreichen Kirchengemeinden geteilt, um helfende Hände zu gewinnen und Geldspenden zu sammeln. Knapp 2.000 Euro kamen so innerhalb kürzester Zeit aus zwei Friedrichshagener Kirchengemeinden zusammen – ein Beitrag, der die Anschaffung von Hilfsgütern und Werkzeug sowie den Transport dieser und der Helfenden möglich machte. Unterstützung und Ansprechpartner*innen fand das Organisationsteam der SozDia ebenfalls durch Mitarbeitende der Aktion Neue Nachbarn, ein Projekt des Erzbistum Köln und die katholischen Gemeinden vor Ort. So wurden umgehend Kräfte gebündelt und es zeigte sich einmal mehr, wie wertvoll die Zusammenarbeit zwischen Kirche, Diakonie und Zivilgesellschaft ist.
 
Unter den Helfenden befand sich die Abiturientin Luisa Rehberg aus Lichtenberg, die über eine in der Jungen Gemeinde engagierte Freundin von der Hilfsaktion erfuhr. „Ich wollte lieber vor Ort mit anpacken, als nur aus der Ferne zuzusehen. Es ist ein gutes Gefühl, zu helfen“, sagt sie. Auch für Student Björn Dymke, der seit kurzem die Junge Gemeinde in Schöneiche leitet, war es eine Selbstverständlichkeit, sich solidarisch zu zeigen und spontan einzubringen. „So konnte ich die Semesterferien sinnvoll nutzen“, scherzt er.
 
Zu den Freiwilligen, die kürzlich in Odendorf, Essig und Heimerzheim anpackten, zählen auch der 17-jährige aus dem Libanon stammende Wael Nomeiri sowie der 15-jährige Emanuel Charles aus der Elfenbeinküste. Beide wohnen im Interkulturellen Jugendwohnhaus, einer unweit der Rummelsburger Bucht gelegenen Einrichtung der stationären Jugendhilfe in Trägerschaft der SozDia. Die jungen Männer hatten gerade Schulferien und der in einer Bäckerei jobbende Wael nahm sich extra frei, um bei den Aufräumarbeiten in den Hochwassergebieten zu helfen. „Ich möchte ja, dass wir alle in Deutschland gut zusammenleben können“, sagt er. „Mit meiner Hilfe habe ich etwas Gutes für andere und für mich gemacht.“
 
Die Menschen in der betroffenen Region hat der 17-Jährige als sehr herzlich und dankbar erlebt. Wie sein Freund Emanuel würde auch er in einer ähnlichen Situation wieder Hilfe leisten. „Es ist sehr traurig, so etwas zu sehen“, sagt dieser. „Alles ist kaputt. Familien können nicht in ihren Häusern wohnen bleiben.“
 
Als sehr emotionale Erfahrung beschreibt auch Luisa ihren Einsatz. Und für Björn spiegelten die Bilder in den Medien nur zu einem geringen Teil die Situation wieder, die sie vor Ort vorfanden. „Den Geruch von Schlick und Schlamm werde ich so schnell nicht aus meiner Nase bekommen.“ Über ihre intensiven und berührenden Erlebnisse konnten sie sich bei abendlichen Auswertungsrunden austauschen. Auch ein weiterer Einsatz im vom Hochwasser betroffenen Gebiet wurde hier bereits angedacht. Doch zunächst kommt die durch den gemeinsamen Einsatz verbundene Gruppe bei einem Grillabend, zu dem die SozDia alle Freiwilligen eingeladen hat, wieder zusammen.
 
Auf den Weg gemacht hatten sie sich in der letzten Juliwoche mit innerhalb weniger Tage gesammelten Sach- und Geldspenden. Insbesondere die Unterstützung zweier Köpenicker Kirchengemeinden ermöglichte die Fahrt und die Anschaffung der dringend vor Ort und für den Einsatz benötigten Stromaggregate, weiterer Hilfsmittel und Werkzeuge. Die Stadtmissionsgemeinde Friedrichshagen nutzte zum Verbreiten des Aufrufs Verteiler, Netzwerke und Foren, so Simone von Zansen aus dem Ältestenkreis für Gemeindefragen. „So haben wir viele Menschen in kurzer Zeit erreicht und es kamen rasch 1.300 Euro zusammen, die wir an die SozDia übergeben konnten.“
 
Auch Markus Böttcher, Pfarrer der Christophoruskirche, zeigt sich davon beeindruckt, wie kurzfristig ein solcher Einsatz realisiert werden konnte und von der großen Hilfsbereitschaft, die den Flutopfern entgegengebracht wird. „Wir haben spontan beim Gottesdienst zur Solidarität mit diesen Menschen aufgerufen und es hat mich sehr gefreut, dass bei der Ausgangskollekte mehrere hundert Euro gesammelt wurden. Das ist mehr als sonst üblich: Offenbar war es den Leuten wichtig.“ Für ihn ist die gute Zusammenarbeit mit der sozialdiakonischen Stiftung lobenswert, an sich aber auch selbstverständlich. „Die Predigt, das gemeinsame Feiern des Abendmahls und die Diakonie waren von Anfang an die drei wesentlichen Bestandteile der Kirchenarbeit. Ich kann mir Kirche nicht ohne Diakonie vorstellen. Das geht gar nicht. Das wäre wie Kirche ohne Turm oder Kirche ohne Orgel.“ Und er führt aus: „Was eine Gemeinde für die Menschen tut, die nicht für sich alleine sorgen können oder Hilfe brauchen, ist sozusagen auch ein Teil der Musik der Kirche – damit klingt Kirche.“
 
Das dies nicht nur in Evangelischen Gemeinden so gesehen wird, beweist auch der gute Austausch mit katholisch Engagierten in Bonn und Rhein-Sieg. Dadurch konnte der Einsatz zielgerichtet dort stattfinden, wo gerade der größte Bedarf bestand und es wurden sogar Schlafplätze im Bonner Redemptoristenkloster vermittelt. Die dortigen Brüder hatten eigens Zimmer hergerichtet und bereiteten allen einen herzlichen Empfang. Gerade für den Muslim Wael eine besondere Erfahrung. Die religiöse Zugehörigkeit spielte hier wie auch bei den Arbeitseinsätzen, bei denen sie nicht nur auf Anwohner*innen sondern auch auf viele weitere Freiwillige trafen, keine Rolle. Es war eine große Solidarität über sonst oftmals bestehende Grenzen hinweg erleb- und spürbar. In dieser Form soziale Teilhabe und die Möglichkeit zur zivilgesellschaftlichen Mitgestaltung zu erfahren, war insbesondere für ihn, Emanuel und die drei weiteren teilnehmenden Bewohner des Interkulturellen Wohnhauses der SozDia ein bestärkendes Erlebnis.
 
Der mehrtägige Einsatz vor Ort war körperlich und geistig fordernd. Komplette Küchen und Bäder mussten abmontiert oder mit roher Gewalt entfernt werden. Ganze Böden und Wände wurden herausgeschlagen, Schutt und triefnasse Matratzen, aber auch persönliche Gegenstände wie Bilder oder Fotoalben aus den Häusern getragen. Und viele der ehemaligen Besitzer*innen, häufig ohne Elementarversicherung vor den Trümmern ihrer wirtschaftlichen Existenz, waren verzweifelt und wollten auch reden. Und während sich die schmerzenden Hände und Rücken der am Hilfseinsatz Beteiligten inzwischen erholt haben, wird das Erlebte in ihren Köpfen wohl noch lange nachhalten.
 
Die Flutopfer brachten den jungen Helfer*innen ihre tiefe Dankbarkeit entgegen. Jedes Mal wurde ihnen gesagt, dass ihr Arbeitseinsatz enorm geholfen habe. Auch Tränen flossen. Diese Wertschätzung und Anerkennung für die über sich hinauswachsenden Jugendlichen war immer wieder vor Ort spürbar. „Viele Anwohner*innen hatten einen riesen Respekt vor den jungen Leuten, die oftmals daran erinnert werden mussten, Pausen zu machen“, sagt Katharina Grell, die – selbst von Hochwasserschäden weitgehend verschont – als Ehrenamtliche in der katholischen Pfarrei in Odendorf bei der Spendenausgabe hilft. „Für eine kleine Rast und um wieder Kraft zu schöpfen legte sich dann schon mal jemand von ihnen in einen von den Wassermassen unversehrten Garten auf den Boden und machte dann wieder voller Elan weiter.“
 
Auch Nina Kirch, Mitglied des SozDia-Leitungsteams, ist stolz auf die jungen Menschen, denen oftmals unterstellt wird, nur an sich zu denken, in digitalen Welten zu leben und sich nicht für ihre Nachbarschaft zu interessieren. Die spontane Einsatzbereitschaft der elf Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeigt jedoch einmal mehr, dass dem nicht so ist und von dieser Generation durchaus gesellschaftliche Verantwortung übernommen wird – einer Generation, die oft hintenansteht und die erst kürzlich selbst zahlreiche Entbehrungen durch Lockdown und Kontaktbeschränkungen hatte hinnehmen müssen. „Es ist immer wieder aufs Neue motivierend für uns und unsere Arbeit, wenn wir sehen, wie engagiert, tatkräftig und mit welcher Selbstverständlichkeit Heranwachsende ihre Zeit nutzen, um anderen zu helfen und so politisches, gesellschaftsrelevantes Handeln konkret erleben. Das ist SozDia – darum machen wir diese Arbeit.“ Als Strategische Leitung der Stiftung war es für sie – wie schon beim Elbe- und Oder-Hochwasser, wenn eine Naturkatastrophe fast vor der Haustür Menschen und Tiere in eine solch dramatische Situation bringt – selbstverständlich, Unterstützung anzubieten. Und so fasste man bei der SozDia auch dieses Mal den Entschluss, kurzfristig vor Ort zu helfen. „Gesellschaft gestalten können wir ja nur im konkreten Tun und Anpacken, das wollten wir anregen und ermöglichen“, so Nina Kirch.
 
Gemeinsam mit jungen Menschen anzupacken und Leben zu gestalten, damit begann auch das nunmehr 30-jährige Wirken der Stiftung mit ihren mittlerweile über 50 sozialdiakonischen Einrichtungen, darunter Jugendklubs und Jugendwohnhäuser. Die kürzlich von ihr auf die Beine gestellte Hilfsaktion macht sichtbar, wie wichtig das Engagement von Jugendlichen und jungen Erwachsenen und deren Möglichkeit zu Teilhabe und Mitgestaltung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist. Die Unterstützung vom Kirchenkreis, von Kirchengemeinden und der „Aktion Neue Nachbarn“ unterstreicht wiederum, wie wertvoll die Zusammenarbeit zwischen Kirche, Diakonie und Zivilgesellschaft ist und welch wichtiger Beitrag durch das Bündeln ihrer Kräfte auf kurzem Weg geleistet werden kann.
 
Quelle: SozDia Stiftung Berlin
 
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„Welcome! – Netzwerken im Kirchenkreis Lichtenberg-Oberspree"
Das gemeinsame Wirken und Zusammenrücken von Kirche und Diakonie ist Ziel der Arbeit von „Welcome! – Netzwerken im Kirchenkreis Lichtenberg-Oberspree“, einem bei der SozDia angesiedelten Kooperationsprojekt. Ähnlich ist es beim Projekt des Erzbistums Köln „Aktion Neue Nachbarn“, bei welchem die Integration von Geflüchteten im Vordergrund steht. Dessen Koordinatorin im Rhein-Sieg-Kreis, Leyla Velarde Medina de Schüring, konnte in Vorbereitung des Hochwasser-Hilfseinsatzes geeignete Brücken bauen. Und die SozDia beschaffte in ihrem Auftrag Hilfsgüter, die vor Ort nicht mehr verfügbar waren, aber dringend gebraucht wurden.

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