„Gibt es einen integrativen Islam?“ – Antworten aus religionsethnologischer Sicht von Frau Prof. Dr. Manja Stephan-Emmrich

von Jürgen Bosenius

Plädiert dafür, die Vielfalt des Islam zu erkennen und anzuerkennen und Stereotype zu hinterfragen – die Ethnologin Prof. Dr. Manja Stephan-Emmrich von der Humboldt-Universität zu Berlin in der Karlshorster "Kirche zur frohen Botschaft". Foto: kklios

Im Pfarrkonvent des Kirchenkreises hat Frau Prof. Dr. Manja Stephan-Emmrich von der Humboldt-Universität zu Berlin am 10. Februar über die Vielfalt des Islam referiert.

„Ein Ziel bei der Beschäftigung mit dem Islam muss es weiterhin sein: Stereotype zu hinterfragen“, sagt Manja Stephan-Emmrich. Genau das gelingt der Juniorprofessorin der HU an diesem Vormittag in der Karlshorster „Kirche zur frohen Botschaft“. Manja Stephan-Emmrich deutet das Vortragsthema „Gibt es einen integrativen Islam?“ von der Fähigkeit und der Bereitschaft des Islam, sich integrieren zu lassen, bis hin zur Fähigkeit und dem Willen, anderes und Andere zu integrieren.

Die Leiterin des Querschnittsbereichs Islam in den Gesellschaften Asiens und Afrikas am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften geht dabei auf Grundsätzliches ein: Was ist der Islam? Wer spricht für den Islam? Wer ist ein Muslim, eine Muslima? Für viele ist im Kontext der aktuellen Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland der Islam oftmals nur Platzhalter für „das Unbekannte“. Der Ethnologin geht es vor allen Dingen darum, die „Vielfalt des Islam“ zu betonen. Anders als die christlichen Kirchen verfüge der Islam nicht über ein institutionelles Personal und Gerüst wie die christlichen Kirchen mit Bischöfen und festen, staatlich anerkannten Mitgliedschaften. So gebe es rund 2350 Moscheevereine und alevitische Cem-Gemeinden in Deutschland, diese seien weitgehend selbstständig und unabhängig voneinander.

Salafisten profitieren von der Globalisierung

Manja Stephan-Emmrich weist darauf hin, dass die Autoritäten und die Deutungshoheit innerhalb des Islam einem steten Wandel ausgesetzt seien. Nicht zuletzt die Globalisierung und die mediale Vermittlung religiöser Inhalte begünstigten das Entstehen und die erkennbare und nachweisliche Attraktivität etwa des Salafismus vor allen Dingen bei Jugendlichen. „Der Salafismus ist der neue Punk der Generation Y“, sagt die Ethnologin. In den sozialen Medien ließen auch extreme Positionen in kürzester Zeit einem größtmöglichen Publikum präsentieren.

Im Gespräch mit den Pfarrerinnen und Pfarrern des Konvents geht es dann auch um Grundsätzliches, aber auch um Praktisches - ein Dialog zu den Themen: Verfügt der Islam auch über Erzähltraditionen, Narrative wie das Christentum etwa mit der Weihnachts- und Ostergeschichte und der großen Bedeutung des Werts der Barmherzigkeit? Welche Rolle soll und kann Islamunterricht an deutschen Schulen jetzt und in Zukunft spielen? Wie steht der Islam zum Christentum und Judentum? Welche Reformbewegungen existieren innerhalb des Islam? Die Ethnologin neigt nicht zu übereilten Antworten und freut sich erkennbar über gute Fragen: Nein, das eine Narrativ gibt es nicht im Islam, die Person Mohammeds stehe jedoch immer wieder ausdrücklich im Zentrum. Der Islamunterricht sei wichtig – mit curricularer Verbindlichkeit. Der Islam leite durchaus ein besonderes Selbstbewusstsein gegenüber Christen- und Judentum aus der Tatsache ab, mit Mohammad den zeitlich letzten Propheten zu haben. Der Sufismus gehöre zu den Reformkräften des Islam, aber eben auch der „Euro-Islam“ (Bassam Tibi).

Was ist Religion in der Moderne?

Wichtig sei gegenwärtig vor dem Hintergrund der Flüchtlingsdebatte, resümiert die Religionsethnologin am Schluss, dass der Bau islamischer Hochschulen vorangetrieben werden müsse, dass die zivilgesellschaftliche Hilfe weiterhin die Integration der Flüchtlinge begünstige und dass die Reformbewegungen innerhalb des Islam unterstützt werden müssten. Am Ende laufe aber alles auf die zentrale Frage und die immer noch ausstehende Antwort hinaus: „Was ist Religion in der Moderne?“

 

Kontakt

Prof. Dr. Manja Stephan-Emmrich

Humboldt-Universität zu Berlin

https://www.iaaw.hu-berlin.de/de/querschnitt/islam/profil/profil

Zurück