Drei Fragen an … Astrid Groth und Sebastian Sievers, das Präventionsteam des Kirchenkreises Berlin Süd-Ost

von Jürgen Bosenius

Drei Fragen an … Astrid Groth und Sebastian Sievers, das Präventionsteam des Kirchenkreises Berlin Süd-Ost. Foto: Jürgen Bosenius / Kirchenkreis Berlin Süd-Ost

Drei Fragen an … Astrid Groth und Sebastian Sievers, das Präventionsteam des Kirchenkreises Berlin Süd-Ost

Ein Gespräch über den Schutz vor sexualisierter Gewalt, also Kirche als „sicherer Ort“, den professionellen Umgang mit Nähe und Distanz und eine klare Ansage an potentielle Täter und Täterinnen.

Astrid, Du bist „Kreiskirchliche Ansprechperson zum Schutz vor sexualisierter Gewalt“, zusammen mit Sebastian bildet ihr das „Präventionsteam des Kirchenkreises“. Was verbirgt sich dahinter?

Astrid: Ich bin Juristin, es macht mir einfach Spaß, kirchliche Gesetze umzusetzen! (lacht) Aber jetzt mal im Ernst: Das Thema sexualisierte Gewalt ist doch seit ein paar Jahren dauerpräsent in den Medien. Auch die Kirchen stehen hier im Fokus der Öffentlichkeit. Die Landessynode hat darauf reagiert und im Oktober 2020 ein entsprechendes Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt verabschiedet. Dieses Gesetz enthält einen umfassenden Katalog an vorbeugenden Maßnahmen, die alle Kirchenkreise und Gemeinden jetzt umsetzen müssen. Genau das wollen wir im Ev. Kirchenkreis Berlin Süd-Ost auch tun. Ich habe diese Aufgabe als Ansprechperson des Kirchenkreises übernommen, weil mir das Thema echt am Herzen liegt. Ich möchte, dass Kirche wieder zu einem sicheren Ort wird. Dass die Menschen, die zu uns in die kirchlichen Veranstaltungen kommen oder bei uns arbeiten, größtmöglich vor jeder Form von Gewalt und Diskriminierung geschützt sind.

Sebastian: Wir haben das Thema Kinderschutz in der Ev. Jugend schon seit 2010 im Blick. Damals haben wir einen Katalog an Verhaltensregeln für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen erarbeitet, der jetzt auf Erwachsene ausgeweitet wurde und nun verbindlich für alle gilt: den Verhaltenskodex der EKBO. Mein Ziel ist es, durch Schulungen aller Haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden diesen Verhaltenskodex flächendeckend bekannt zu machen und ihn als unsere Arbeitsgrundlage zu etablieren. Dadurch entsteht, so hoffe ich, eine Kultur des Hinschauens und der Achtsamkeit. Mir liegt das Wohl aller am Herzen. Potenzielle Täter und Täterinnen sollen wissen, bei uns haben sie keine Chance, weil wir nämlich hinschauen, hinhören und handeln.

Worum genau geht es in den Schulungen, die ihr als Präventionsteam zusammen durchführt?

Astrid: Wir haben auf der Kreissynode im Frühjahr 2022 ein Schutzkonzept des Kirchenkreises verabschiedet. Darin ist festgelegt, dass alle Haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden zum Thema Schutz vor sexualisierter Gewalt sensibilisiert werden sollen und deshalb innerhalb der nächsten zwölf Monate eine Grundlagenschulung besuchen müssen. Da lernen sie die wesentlichen Inhalte des Schutzkonzeptes kennen. Es wird definiert, was sexualisierte Gewalt überhaupt ist. Und es wird erläutert, wo man sich Hilfe holen kann und welche Verfahrensabläufe greifen, wenn tatsächlich einmal der Verdacht sexualisierter Gewalt im Raum steht oder man zu diesem Thema angesprochen wird.

Sebastian: Es geht in den Schulungen auch um einen professionellen Umgang mit Nähe und Distanz. Dazu vermitteln wir nicht nur theoretisches Wissen, sondern üben praktisch. Alle sollen einmal ganz konkret erfahren, wo die persönlichen Grenzen liegen, erst dann können wir uns auch ein stückweit in andere einfühlen. Auch muss ich mich einmal dem Ausüben oder Aushalten von Macht ganz körperlich stellen. Danach kann dann intensiver z.B. über Täter*innen-Strategien, Leitungsverantwortung und Partizipation gesprochen werden. Wir erklären geduldig, warum alle ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen. Am Ende der Schulung unterschreiben alle Teilnehmenden den EKBO-Verhaltenskodex, haben ihn sich hoffentlich zu eigen gemacht und bekommen ein Zertifikat. Das sehen wir als ein Qualitätsmerkmal unseres Kirchenkreises an.

Wie geht es jetzt mit dem Thema Schutz vor sexualisierter Gewalt weiter?

Sebastian: Wenn alle Mitarbeitenden die Grundlagenschulung durchlaufen haben, bieten wir Aufbauschulungen zu bestimmten zusätzlichen Themenbereichen an. Etwa sexualpädagogische Konzepte in unseren Gemeinden und Diversität und natürlich vertiefende Übungen zu Diskriminierung und Stellung beziehen. Unser Ziel ist es, dass sich jede Berufsgruppe wenigstens einmal im Jahr mit dem Thema – ich formuliere mal bewusst weit – „lasst uns an einer Kultur der Achtsamkeit arbeiten“ beschäftigt und auf den jeweiligen Konventen konkrete Situationen und offene Fragen bespricht.

Astrid: Der nächste Schritt wird aber erst einmal sein, allen Kirchengemeinden klarzumachen, dass auch sie ein Schutzkonzept benötigen und umsetzen müssen. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten. Die Gemeinden können entweder dem Schutzkonzept des Kirchenkreises beitreten. Dann müssen sie einen entsprechenden GKR-Beschluss fassen, eine Risikoanalyse für die Gemeinde durchführen und diese dem Kirchenkreis vorlegen. Oder sie müssen ein eigenes Konzept schreiben. Ich empfehle ganz klar ersteres!

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