Zu Besuch bei … Ursel Springer, 92 Jahre alt, älteste (und aktive!) Bläserin im Ev. Kirchenkreis Berlin Süd-Ost

von Jürgen Bosenius

Zu Besuch bei … Ursel Springer, 92 Jahre alt, älteste (und aktive!) Bläserin im Ev. Kirchenkreis Berlin Süd-Ost. Foto: Jürgen Bosenius / Ev. Kirchenkreis Berlin Süd-Ost

Zu Besuch bei … Ursel Springer, 92 Jahre alt, älteste (und aktive!) Bläserin im Ev. Kirchenkreis Berlin Süd-Ost

Noch während sich die Tür der Hochparterrewohnung öffnet, begrüßt Ursel Springer den Besucher mit einem herzlichen „Komm se rin!“ Kaum hat man Platz genommen am Esszimmertisch und die ersten Sätze miteinander gewechselt, entsteht ein Bild: Die 92-Jährige ist gedanklich immer auf dem Sprung, um keine Antwort verlegen und Musik, genauer: Trompete spielen und das gemeinsame Musizieren im Posaunenchor, ist ihre große Leidenschaft. In drei Worten: hellwach, schlagfertig – musikalisch!

Die Kirchenzeitung hat die reinen Fakten eines langen Lebens schon vor zwölf Jahren journalistisch präzise auf den Punkt gebracht. In der Ausgabe vom 23. Mai 2010 heißt es in der Rubrik „Personen & Zitate“ zum vorletzten runden Geburtstag von Ursel Springer:

„Ursel Springer, genannt Uschi, älteste Bläserin im Berliner Kirchenkreis Lichtenberg-Oberspree, wurde 80 Jahre alt. Am 30. Mai wird der Geburtstag in der Friedrichshainer Offenbarungskirche ein Gottesdienst mit Pauken und Trompeten gefeiert. Die aus Hamburg stammende Wurstverkäuferin und Kind einer Schaustellerfamilie hatte zu DDR-Zeiten einen Boulettenstand an der Weißenseer Spitze. Erst vor 30 Jahren lernte sie Blasinstrumente zu spielen, was in ihrer Jugend Männern vorbehalten war.“

Wie gesagt, das ist zwölf Jahre her: Der Kirchenkreis heißt mittlerweile nicht mehr „Lichtenberg-Oberspree“, sondern „Berlin Süd-Ost“, aber die älteste aktive Bläserin des Kirchenkreises ist Ursel Springer noch immer – nun nicht mehr mit 80, sondern mit 92 Jahren.

Vom Esszimmer geht es ins Musikzimmer. Ein Zimmer, das tatsächlich all das versammelt, was im engeren und weiteren Sinn mit Musik zu tun hat. Da stehen natürlich ein Notenständer und ein Stuhl – und die Trompete auf dem Sofa ruht auf einem Kissen, auf den der Spruch gestickt ist: „Ich bin nicht faul, ich bin im Energiesparmodus.“ Spannend wird es auch an den Wänden, die über und über mit Fotos und Veranstaltungsankündigungen geschmückt sind und von einem reichen musikalischen Leben voller Probenabende und Auftritte in Gottesdiensten und Konzerten berichten.

„Das ist schon etwas Besonderes, vor Zehntausenden zu spielen!“

Viele Plakate stammen vom Posaunenchor Advent-Zachäus. Den Chorleiter Marc Multhaupt schätzt Ursel Springer sehr. Gerne erinnert sie sich auch an das Musizieren mit dem ehemaligen Kreisposaunenwart Hans-Joachim Hesselbarth, mit dem sie eine lange Freundschaft verbindet. Hans-Joachim Hesselbarth? Da war doch noch was? Ein Zeitungsausschnitt an der Wand verrät es. Natürlich: das Weihnachtssingen bei Union Berlin im Stadion an der Alten Försterei. Immer begleitet vom Posaunenchor des Kirchenkreises und dies bis 2019 unter Leitung von Hans-Joachim Hesselbarth. Ursel Springer war immer mit von der Partie und sie sagt: „Das ist schon etwas Besonderes, vor Zehntausenden zu spielen!“

Es klingt beinahe zu banal, ist es aber nicht: Natürlich finden sich im Musikzimmer auch viele Noten. Bis heute arbeitet Ursel Springer diese akribisch durch: Passagen, die besonders zu intonieren sind, Steigerungen, Zurücknahmen – mit einem gelben Edding deutlich sichtbar markiert. Und wenn sie ein „durchgearbeitetes“ Stück mit einem anderen Chor spielt, dann heißt es von ihr auch schon: „Jetzt passt mal auf, an dieser Stelle muss das aber etwas flotter gehen!“

Ein Krankenhausaufenthalt im Frühjahr dieses Jahres passte Ursel Springer so gar nicht ins Konzept. Ja, es gehe ihr wieder besser, aber „der Ansatz“ sei – leider – noch nicht wieder so, wie er sein müsste. Die Noten zu „Ice Cream“ liegen gerade obenauf und der Bitte, etwas auf der Trompete zu spielen, kommt sie zuerst etwas zögerlich, dann aber gerne nach. (Mit Schalltrichter in der Trompete, dann „haben die Nachbarn auch ihre Ruhe“.) Von wegen kein Ansatz! Ihr Spiel klingt wunderbar: „Aber für den nächsten Auftritt muss ich noch etwas üben.“

Der Besuch bei Ursel Springer an diesem Nachmittag vergeht wie im Flug. Beim Hinausgehen zeigt sie auf ihren Rucksack mit der Aufschrift, die für sie vielleicht auch ein kleines bisschen Lebensmotto ist: „Red‘ kein Blech, blas' lieber Trompete.“

Zu Besuch bei … Ursel Springer, 92 Jahre alt, älteste (und aktive!) Bläserin im Ev. Kirchenkreis Berlin Süd-Ost. Foto: Jürgen Bosenius / Ev. Kirchenkreis Berlin Süd-OstZu Besuch bei … Ursel Springer, 92 Jahre alt, älteste (und aktive!) Bläserin im Ev. Kirchenkreis Berlin Süd-Ost. Foto: Jürgen Bosenius / Ev. Kirchenkreis Berlin Süd-OstZu Besuch bei … Ursel Springer, 92 Jahre alt, älteste (und aktive!) Bläserin im Ev. Kirchenkreis Berlin Süd-Ost. Foto: Jürgen Bosenius / Ev. Kirchenkreis Berlin Süd-Ost

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