Auf Wiedersehen, Pfarrer Alexander Höner!

von Ev. Kirchenkreis Lichtenberg-Oberspree

Auf Wiedersehen, Pfarrer Alexander Höner! Abschiedsgottesdienst am 3. September 2017 in Friedrichshagen. Foto: Jürgen Bosenius / kklios

Die Ev. Kirchengemeinde Berlin-Friedrichshagen hat am 3. September 2017 Pfarrer Alexander Höner verabschiedet. Er wechselt vom Kirchenkreis Lichtenberg-Oberspree in den Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg und übernimmt dort die Leitung des Fachbereichs „Theologie der Stadt“.

Ein Abschiedsgottesdienst der besonderen Art: Eine Kirche, bis auf den letzten Platz gefüllt, eine Gemeinde, die viele Geschenke macht: Wörter, Bilder, Töne – und ein Pfarrer, der in seiner „letzten Predigt“ noch einmal aus dem Vollen schöpft.

Auf Wiedersehen, Pfarrer Alexander Höner!

Abschiedsgottesdienst von Pfarrer Alexander Höner am 3. September 2017 in Friedrichshagen. Foto: Jürgen Bosenius / kkliosAbschiedsgottesdienst von Pfarrer Alexander Höner am 3. September 2017 in Friedrichshagen. Foto: Jürgen Bosenius / kkliosAbschiedsgottesdienst von Pfarrer Alexander Höner am 3. September 2017 in Friedrichshagen. Foto: Jürgen Bosenius / kkliosGKR-Vorsitzende Birgit Ladwig nach dem Abschiedsgottesdienst von Pfarrer Alexander Höner am 3. September 2017 in Friedrichshagen. Foto: Jürgen Bosenius / kkliosNach dem Abschiedsgottesdienst von Pfarrer Alexander Höner am 3. September 2017 in Friedrichshagen. Foto: Jürgen Bosenius / kkliosAlexander Höner zusammen mit Superintendent Hans-Georg Furian nach dem Abschiedsgottesdienst am 3. September 2017 in Friedrichshagen. Foto: Jürgen Bosenius / kklios

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier die Predigt im Wortlaut:

Predigt am zwölften Sonntag nach Trinitatis, 3. September 2017 | Christophoruskirche, Berlin-Friedrichshagen | Text: Jesaja 29,17–24 (Die große Wandlung)

Life is a piece of shit

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes seien mit uns allen. Amen.

Liebe Gemeinde,

erst einmal möchte ich Ihnen sagen, dass die Gattung „letzte Predigt“ völlig überbewertet ist. Erwarten Sie nicht zu viel.

„Life is a piece of shit, when you look at it.“ Ich liege auf der Terrasse unseres Ferienhauses auf der Insel Bornholm und schaue in den klaren Sternenhimmel. Ich muss lachen. Irgendwie ist diese Liedzeile der englischen Komiker von Monty Python in meinen Kopf gekommen. „Wenn du genauer auf das Leben schaust, dann merkst du, dass es nur ein kleines Stück Mist ist.“ Ich gucke in die Unendlichkeit des Universums und versuche mir vorzustellen, welche unfassbare Größe mich da umgibt. Ich lebe auf einem kleinen blauen Planeten in einem großen Sonnensystem. Schon dessen Dimensionen bringen mich an die Grenzen meiner Vorstellungskraft. Wenn ich weiterdenke, wird mir schwindelig. Dieses Sonnensystem ist Teil einer riesigen Galaxie, unserer Milchstraße, und von diesen Galaxien wiederum gibt es Milliarden im Weltall. Diese räumlichen Dimensionen, ihre Weite, Lichtjahre – was alleine ist schon ein einziges Lichtjahr! – das kann ich mir zwar aufsagen, aber ich kann es nicht fassen, nicht wirklich verstehen. Auch nicht die zeitliche Spanne, die damit zusammenhängt. Der Urknall soll vor ca. 13,8 Milliarden Jahren passiert sein. Und wie viele Milliarden Jahre wird das Universum noch existieren? Und dann mein kleines Leben dagegen. „Life is a piece of shit, when you look at it.“ Vor Monty Python haben schon viele andere diese wunderbare Erkenntnis gehabt. Zum Beispiel der Beter, die Beterin von Psalm 39: „Siehe, meine Tage sind eine Handbreit bei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben! Sie gehen daher wie ein Schatten und machen sich viel vergebliche Unruhe; sie sammeln und wissen nicht, wer es einbringen wird. Nun, Herr, wessen soll ich mich trösten? Ich hoffe auf dich.“

Ich liege auf der dunklen Terrasse und um mich herum leuchten die Sterne. In einem kurzen Impuls möchte ich aufspringen und wegrennen, rennen, rennen, rennen bis diese zu großen Gedanken wieder aus meinem Kopf verschwunden sind. Aber ich halte es aus, ich bleibe liegen. Ganz klein unter dem unendlichen Firmament. Und es verändert sich etwas langsam. Die Schwere des schwarzen Universums erdrückt mich nicht mehr, es wird leichter, ich werde leichter. Und dann fühle ich eine ebenso unfassbare Geborgenheit und Schwerelosigkeit. „Ein Glück bin ich nur so klein, ein Glück, dass mein Leben so klein ist. Die Welt so klein ist, die Menschheit so klein ist. Ihre verrückten Machthaber so klein sind, ihre Grobheit, ihre Dummheit, ihre Atombomben und wilden Drohungen so klein sind. Es ist alles gar nicht so wichtig, es gibt Hoffnung – Hoffnung auf eine große Wandlung, wie sie vom Propheten Jesaja verkündigt wird:“

„Wohlan, es ist noch eine kleine Weile, so soll der Libanon fruchtbares Land werden, und was jetzt fruchtbares Land ist, soll wie ein Wald werden. Zu der Zeit werden die Tauben hören die Worte des Buches, und die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen; und die Elenden werden wieder Freude haben am HERRN, und die Ärmsten unter den Menschen werden fröhlich sein in dem Heiligen Israels. Denn es wird ein Ende haben mit den Tyrannen und mit den Spöttern aus sein, und es werden vertilgt werden alle, die darauf aus sind, Unheil anzurichten, welche die Leute schuldig sprechen vor Gericht und stellen dem nach, der sie zurechtweist im Tor, und beugen durch Lügen das Recht des Unschuldigen. Darum spricht der HERR, der Abraham erlöst hat, zum Hause Jakob: Jakob soll nicht mehr beschämt dastehen, und sein Antlitz soll nicht mehr erblassen. Denn wenn sie sehen werden die Werke meiner Hände – ihre Kinder – in ihrer Mitte, werden sie meinen Namen heiligen; sie werden den Heiligen Jakobs heiligen und den Gott Israels fürchten. Und die, welche irren in ihrem Geist, werden Verstand annehmen, und die, welche murren, werden sich belehren lassen.“

Aber wie sollen diese Veränderungen Wirklichkeit werden? Denn es reicht nicht, wenn wir uns nur davon erzählen. Wir müssen Teil dieser großen Wandlung werden.

Ich habe zwei Beispiele:

Ich habe unserer Kita-Leiterin Stephanie Korinth und ihrem Mann Tom gestern hier den Segen Gottes für ihre Ehe zugesprochen. Und mich haben dabei welche unterstützt: Der Gospelchor, in dem Frau Korinth mitsingt. Sie waren in einer kleinen Besetzung da, so ca. 12 Sängerinnen und Sänger. Sie fingen an zu singen, so zu singen, als wenn hundert von ihnen da stünden. Sie sangen „Holy is the Lord“, „Higher and Higher“, „Jesus is right here“ und unsere Christophoruskirche füllte sich mit einer unsagbaren Kraft. Wir Anwesenden füllten uns mit einer unsagbaren Kraft. Und ich fühlte mich so zuversichtlich und mutig wie lange nicht mehr. Manchmal kommt mir unser Glaube so zahnlos vor, so bewegungslos, so versteckt in zu vielen Worten, so, als wenn er nichts verändern könnte. Gestern aber haben wir gesungen, als wenn wir alles verändern könnten, gestern haben wir gesungen, dass es bis auf die Bölschestraße zu hören war.

Mein zweites Beispiel:

Meine Schwester Olivia wohnte in Hamburg nur zwei Hauseingänge von mir entfernt. Wir hatten die Tradition, am Tagesende oft noch einen Spaziergang durch den naheliegenden Hammer Park zu machen. Als wir eines Abends an das große Becken kamen, in das zwei Löwen früher Wasser spieen, sahen wir daneben einen Mann, ungefähr 40 Jahre alt, der auf einer Sommerliege lag, zugedeckt mit einer Wolldecke. Irgendetwas war anders an diesem Ort als sonst, aber ich wusste erst nicht genau was. Die Dämmerung war schon weit fortgeschritten. Dann viel es mir auf: „Guck mal Olivia, dass Becken hier, das war doch sonst immer ganz dreckig und schwarz?“ „Stimmt!“ sagte Olivia erstaunt. Das klare Wasser glänzte im Licht der untergehenden Sonne und der Beckenboden schimmerte weiß hindurch. Wir schauten zu dem Mann. Der grinste. „Waren sie das?“ Er nickte. „Wie haben sie denn das geschafft?“ Der Mann erhob sich von seiner Liege, ging zum nächsten Busch und holte einen Besen hervor, an dessen Ende eine Drahtbürste befestigt war. Er stand direkt vor uns und sagte stolz „60 Stunden“. Der Mann hatte Tag für Tag eine kleine Fläche frei geschrubbt, hatte dabei Unterschriften von Parkbesuchern gesammelt, um das Becken wieder in Gang zu bekommen und überzeugte schließlich damit die Parkverwaltung. Die drehten das Wasser wieder auf. Seitdem ist das Becken bei gutem Wetter immer voll von spielenden Kindern. Nachdem der Mann zu Ende erzählt hatte, bedankten Olivia und ich uns bei ihm und wir gingen weiter. Nach einer Weile sagte meine Schwester „Du Alexander, weißt Du, was ich glaube? Ich glaube, wir haben eben einen Propheten getroffen.“

Solche Geschichten wie die von Jesaja, dem Gospelchor oder von dem Becken-Reiniger im Hammer Park sind Geschichten gegen die Resignation, dass man als einzelner nichts bewegen kann, nichts heilen kann. Wir können was bewegen, wir können etwas heilen, auch wenn es manchmal aussichtslos erscheint. Luther hat mal von der Priesterschaft aller Gläubigen gesprochen, und ich möchte seine Aussage erweitern: Wir sind nicht nur alle Priesterinnen und Priester, sondern wir sind auch Prophetinnen und Propheten, Heilerinnen und Heiler in unserem jeweiligen Lebensumfeld. Die eine mutiger als der andere, und der andere wiederum sprachgewandter als die andere, der eine verkauft Wein, der andere Brause, die andere Bücher, ein anderer backt Brot, eine andere druckt goldene Buchstaben, eine kocht die Suppen, wiederum eine andere teilt den Christophorusboten aus, ein anderer hört einfach zu, ein anderer bringt einen Blumenstrauß zu einem Geburtstagskind und die andere schreibt eine Karte, ein Ehepaar bringt aktuelle Themen in die Kirche, eine andere wäscht die Handtücher und noch eine andere bringt die Kirche wieder auf Glanz, andere fällen wichtige Entscheidungen – für die Gemeinde, ein anderer für unseren ganzen Bezirk, andere machen wunderschöne Musik in unserer Kirche, eine andere ist immer im Gemeindebüro für alle da – auch für den Pfarrer, ein anderer zeigt jungen Menschen, wo sie verwurzelt sind, was ihnen Halt gibt, andere sorgen dafür, dass Putz nicht von der Decke bröckelt und die Glühbirnen ausgetauscht sind, andere erzählen den Kindern von Abraham, Jakob, Jesus und Paulus, und wiederum andere ermöglichen es, dass unsere Toten ihre Ruhe finden – wir sind Prophetinnen und Propheten, Heilerinnen und Heiler.

„Und der HERR streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund.“ Wir haben die Botschaft Gottes von der Liebe, von der Gerechtigkeit, die sich mit dem Frieden küsst, und von der Bewahrung der Schöpfung. Lasst uns Gottes Botschaft laut leben in all dem hässlichen Geschrei, in all dem hässlichen Überbieten, denn die Welt braucht diese Botschaft, um schön und lebenswert für alle zu werden und zu bleiben. Wir brauchen diese Botschaft.

Amen.

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