Stellungnahme des Kreiskirchenrates

von Superintendent Hans-Georg Furian und anderen

Der Kreiskirchenrat begrüßt den auf Kommunikation angelegten Prozess, in dem o.g. Text steht. Unseres Erachtens unterscheidet sich das von Vorgängervarianten im Reformprozess, was schon an der äußeren Form des Heftes deutlich wird (Rückmeldemöglichkeit und Möglichkeit eigener Ergänzungen durch Leerstellen im Text).

Besonders begrüßen wir den Versuch, strukturelle Überlegungen mit theologischen Vorüberlegungen zu verbinden. Es tat dem bisherigen Reformprozess nicht gut, dass eine derartig enge Verbindung, wie in diesem Papier, nicht zu finden war.

Bei der theologischen Grundlegung beginnen die Probleme. Wir sind auch der Meinung, dass sich unsere Kirche nicht aus der Öffentlichkeit zurückziehen darf. Aber „...eine Kirche..., die ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt und sich nicht in eine kirchliche Sonderwelt zurückzieht.“ (Seite 9) macht eine zu einfache Alternative auf. Es geht nicht um den Gegensatz zwischen ‚Sonderwelt‘ und ,wirklicher‘ Welt, sondern darum, inwieweit wir als Kirche den Erwartungen entsprechen, die uns begegnen. Das Evangelium sorgt für einen Abstand zwischen der Gemeinde und der Welt. In ihm gründet die Möglichkeit, sich zu fragen, welcher Aufgabe wir uns zuzuwenden haben, und welcher gerade nicht. Wir möchten auch eine öffentlich wahrnehmbare Kirche sein, aber eine, die ihre gesellschaftliche Verantwortung in kritischer Distanz zur Gesellschaft wahrnimmt. Dieser Aspekt kommt uns in der Einleitung (Punkt 4 und 5) zu kurz.

Möglicherweise hat damit auch die klare Option für den Begriff ‚Volkskirche‘ zu tun. Wir teilen die Auffassung des Textes, dass wir weder das Erbe noch die Chancen verspielen möchten, die in dieser Form von Kirche stecken. Auch wir möchten nicht zu einer NGO oder einer kirchlichen Gemeinschaft werden, die sich nur noch mit sich und ihren Mitgliedern beschäftigt. Aber der Begriff Volkskirche löst falsche Assoziationen aus, als wären hiermit bestimmte prozentuale Anteile an der Bevölkerung reklamiert o.ä. Daher schlagen wir als Arbeitstitel zum Weiterdenken: Kirche - unterwegs mit Gott und den Menschen vor. In diesem Titel steckt das reformatorische Moment der Bewegung von Kirche und zugleich die Spannung, in der wir uns bewegen; nämlich der zwischen Gott und Mensch.

Im Blick auf konkrete Punkte im Text möchten wir uns auf drei konzentrieren.

  1. Im Punkt B 4 fehlt uns der weltweite Bezug zur Ökumene. Zu einem verantwortlichen Haushalten gehört heute nicht nur der Blick auf die natürlichen Ressourcen, sondern auch der auf die südliche Halbkugel; schließlich hat unser Verhalten auch dort Auswirkungen. Im Ansatz ist das in Punkt 4.1.2. (dort im Begriff ‚solidarischen‘) angelegt, wird dann aber nicht weiter entfaltet. Hier schlagen wir unter Punkt 4.2. eine Ergänzung vor, in der globales Denken zur Voraussetzung für angemessenes lokales Handeln gezählt wird. Eine weitere Ergänzung unter Punkt 4.6. sollte in der Frage bestehen, ob eine Kirchengemeinde bzw. ein Pfarrsprengel eine Partnerschaft mit einer Kirchengemeinde in einer der Partnerkirchen des Berliner Missionswerkes hat. Wir begrenzen uns auf diese, weil hier die Möglichkeit fachkundiger Begleitung der Partnerschaft größer ist als sonst.

  2. Ein weiterer Punkt ist die vielfach vorgetragene These der Entlastung der Mitarbeiter bzw. der Gemeinden von dem, was nicht wesentlich ist. Vom Unwesentlichen sollen die Gemeinden entlastet werden, nämlich von ,Verwaltungsaufgaben‘ (so schon Seite 10; Punkt 1.8.2.: damit „… Gemeinden sich stärker auf das Wesentliche, nämlich geistlich Gemeinde zu sein, konzentrieren können...“; Seite 18: „Kirchliche Gremien gewinnen dann an Profil, wenn sie nicht zu stark mit Entscheidungen für das operative Geschäft der Verwaltung belastet werden, sondern sich stärker mit der geistlichen Zielsetzung der kirchlichen Arbeit befassen können.“; Seite 29; oder auch 4.8.1.). Uns erscheint diese Trennung zwischen dem, was wesentlich ist, und dem, was unwesentlich ist, problematisch zu sein, und zwar nicht nur wegen der Willkür dieser Vorstellung, die offen lässt, wer das jeweils festlegt, sondern besonders deshalb, weil in unserer Kirche die Barmer Theologische Erklärung gilt und uns daran erinnert, dass ein Zusammenhang besteht zwischen der Botschaft und der Ordnung der Kirche (These 3). Diesem Zusammenhang entspricht die Unterscheidung eines geistlichen Bereiches und eines anderen, und nicht die Trennung zwischen Verwaltung und Gemeinde. In den kommenden kirchengesetzlichen Reglungen, z. B. im Kirchengesetz zu den Verwaltungsämtern, ist auf diesen Zusammenhang zu achten. Ansonsten werden wir in der kirchlichen Verwaltung in einigen Jahren die Entfernung von der Gemeinde beklagen, die heute schon hinsichtlich der Diakonie besteht und in Tagungen thematisiert wird.

  3. Schließlich erscheint uns die Rolle der Kirchenmusik als zentraler Bestandteil kirchlicher Lebensäußerung nicht oder kaum gewürdigt. Ihre Erwähnung unter 2.2.7. wirkt kaum mehr als eine Pflichtübung, welche noch dazu die Musik auf ihre Rolle als Mittel zum Zweck - Herstellung von Kontakt – reduziert. Eine theologische Beschreibung und Würdigung der Musik fehlt gänzlich. Dabei gehört seit Martin Luther in unserer Kirche „Singen und Sagen“ untrennbar zusammen, und es ist auch von der Theologie wahrgenommen worden, dass Musik in der Unverfügbarkeit ihrer Wirkung dem Heiligen Geist verwandt ist.

Angesichts der Tatsachen,

  • dass die Kirchenmusik in Umfragen als eines der Haupterkennungs-Merkmale evangelischer Kirchen genannt wird
  • dass das Jahr 2012 unter dem Motto „Reformation und Musik“ stand und die Synode der EKBO die Kirchenmusik ausführlich behandelt hat,

können wir es nicht stehenlassen, dass die Musik, spirituellste aller Künste, ausgerechnet im Abschnitt B1, welcher sich kirchlicher Spiritualität widmet, praktisch keine Rolle spielt.

Wir bitten darum, die Bedeutung der Kirchenmusik – in Gottesdienst und Konzert – als zusätzliche Punkte in den genannten Abschnitt einzuarbeiten, sowohl bezüglich der aktuellen Lage (1.2.) als auch der Chancen und Ziele (1.3. und 1.4.).

Berlin, den 6. Juni 2013

Für den Kreiskirchenrat:

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